Montag, 17. März 2014

Gleichberechtigung statt Gleichmacherei

Kleiner Nachtrag zum Artikel davor.
Wenn dort noch die Frage im leeren Raum stehen blieb, wer denn nun zu Thilos Lesern gehören könnte, dann haben wir hier ein Paradebeispiel. Gleichberechtigung statt Gleichmacherei heißt das illustre Photoalbum der Jugendbewegung der AfD und borgt sich gleich eine These aus Sarrazins neustem Werk.

Es sollte eigentlich nicht so sehr überraschen wie es dann doch tut, aber wenn sich junge Menschen vor eine Kamera stellen und so althergebrachte Parolen wie: "Auch eine Hausfrau ist eine Karrierefrau" oder "Stoppt den Genderwahn" oder "Ich bin eine starke Frau und brauche deshalb keine Quote" (alles sinngemäß zitiert, aber ganz ehrlich, ich hab keine Lust mich noch einmal durch den Scheiß zu klicken) auf einen kleinen Zettel kritzeln und das unter die Schirmherrschaft einer Partei stellen, die Thilo Sarrazin zitiert, dann bekommt sein: "Ich spreche für eine breite Mehrheit, die eigentlich so politisch wie ein Stück Toast ist und deshalb irgendeinen Grund braucht um ihren eigenen persönlichen Shitstorm zu starten" plötzlich Gewicht.
Dass das, was da auf den Schildern steht, ungefähr das Niveau von Vegetarierwitzen hat, ist dabei nebensächlich. Viel interessanter ist, dass es ein Bild vom Feminismus transportiert, das aus der gleichen Ecke wie die "latzhosentragenden Kampflesben" kommt und eigentlich schon antiquiert sein müsste. Wenn dann auch noch gegen eine sonstwie geformte "Ideologie" gewettert wird, dann sind wir tatsächlich wieder in den 68ern gelandet, nur auf der konservativen Seite. Aber wahrscheinlich sollte auch das nicht wundern, heißt doch die alte Modeweisheit: "Alles kommt wieder."
Ach, die AfD ist ja so Retro. Oder die verpätete Rache derjenigen, die früher nicht mitkiffen durften.

Wenn es denn nur nicht so traurig wäre.

Montag, 3. März 2014

Die Kritik der Kritik der kritischen Reflexion; In kurz: Armes Deutschland

Thilo Sarrazin hat ein neues Buch geschrieben und erfüllt sich auf 388 Seiten den Traum endlich mal wieder etwas positives über sich selbst lesen zu können. "Der neue Tugendterror" ist ein typischer Vertreter des Genre Fortsetzungsroman. Du denkst, es geht nicht schlechter? Du irrst. 
Neu ist der Feind der 'links-liberalen Medienlandschaft', ein faktenverdrehendes Konglomerat von Geisteswissenschaftlern, die nur eines im Sinn hätten: Thilo mobben. 
Solch Unmenschen! Solch Terror-thiloisten! Und hier wäre auch ein Schlussstrich zu setzen, wäre da nicht etwas mit dem auch Sarrazähnchen nicht gerechnet hatte: Buchrezensionen. Wie können die nur???!!!?!, fragt sich der alltägliche Empathiker. Und beginnt zu lesen. 

Eins wird schnell deutlich, wenn man so durch die aktuellen Zeitungen blättert: So richtig versteht niemand, was dieses Buch denn jetzt so ganz soll. Dabei hätte es so schön sein können. Ein Buch über die Grenzen des Sag- und Denkbaren ohne eine einzige Foucault-Fußnote, das ist tatsächlich mal ne spannende Angelegenheit, aber dann ist der Autor eben doch Thilo Sarrazin und alles ganz langweilig und einfach:  
Auf der einen Seite stehen Menschen wie Thilo, auf der anderen die "linken" Tugendwächter, verkörpert in einer Mediendiktatur, die diese Menschen nicht zu Wort kommen lassen, so die Quintessenz der linken Mediendiktatur, die Menschen wie Thilo Sarrazin nicht zu Wort kommen lassen. 

Aber in einem hat Sarrazin doch Recht: Sarrazin-bashing ist der Hit. Tatsächlich fällt es schwer auch nur ein gutes Wort über das Buch zu finden. Argumentativ nicht schlüssig, mit hübschen Zahlen, aber die allein machen den Kohl auch nicht fett, dafür gebe es biographische Ergüsse, eigenwillige Geschichtsdeutungen, literarische Leere. Ein paar Wiederholungen aus "Deutschland schafft sich ab", viel Selbstmitleid. 

Vielleicht ärgert sich Sarrazin ja auch ein bisschen, dass sein Buch nicht ein paar Wochen früher erschienen ist. Denn was jetzt über den Terror der Gleichheit und Gleichmacherei gelesen werden kann, das hatte man auch schon bei Matussek ohne 23 Euro ausgegeben zu haben. Neu ist das also nicht, was Sarrazin schreibt. Neu ist auch Sarrazin nicht. Was für die Rezensionen übrig bleibt ist die Geschichte einer persönlichen Kränkung. Und auf die wird sich gestürzt:  ein "Ich-Buch" schreibt die Süddeutsche Zeitung oder eine "Krankenakte " wie im Freitag zu lesen.  Ein Provokateur, der nicht mehr provierzieren kann urteilen stern und spiegelBewusst missverstanden, getreten und gehetzt - Sarrazin das Opfer einer PC-Mediendiktatur. Schon wieder.

Als "Outlaw im Mittelpunkt" (konkret), als "Ungleichsapostel" (FAZ) oder ganz simpel als "Knallfrosch" (stern) betitelt, wird Sarrazin, und das ist das traurige an der ganzen Sache, nur Bestätigung für seine Medientheorie finden: So Hand in Hand laufen jungle world und FAZ selten den Strand entlang.

Ist das nun der Beweis für den "Meinungskonformismus" gegen den er sich kaum zu helfen weiß?

Wer nicht nur sporadisch die Zeitungen aufschlägt, hat gerade in den letzten Wochen immer wieder das lesen können, was sich vielleicht unter dem Begriff "Neue Rechte" zusammenfassen lässt. Warnungen vor dem Verfall irgendwelcher diffuser mal als christlich, mal als europäisch, seltenerer explizit als 'deutsch' gekennzeichneter Werte hat Hochkonjunktur. Sarrazins Werk(e) + Rezeption lassen sich 1zu1 in die gegenwärtigen Debatten über Homophobie, dem seltsamen Schulzirkus in Baden-Württemberg, der Wirtschaftskrise und Deutschlands Rolle in der Welt, ja auch auf Vergangenheitsdeutungen anwenden.  
Wer von Gleichheitswahn redet, müsste doch gerade hier ein immer wiederkehrendes Muster erkennen: Auf der einen Seite der sich selbstverklärende Held, der sich die Rolle des "einsamen Wolfs" gibt und als inszenierter Sprecher einer stummen Mehrheit dafür auf der anderen Seite auch die von ihm eingeforderte Beachtung bekommt. 

Dass diese sich allerdings selten in Applaus äußert wird dann als lautes Minderheitsgepöbel denunziert. Eine Argumentationsweise, die, möchte man jetzt nicht mit der altbewährten NPD anfangen, doch eigentlich besser in die Zeit des Kalten Krieges zu packen wäre: Kein "die Bolschewisten kommen", sondern ein verschwörerisches "die Bolschewisten sind schon längst unter uns" und das inform einer Diktatur von schwulen Fussballspielern, Umweltschützer, Genderfrauen, korrupten Journalisten und nicht zu vergessen, einer viel zu linken CDU, deren gemeingefährliches Ziel darin zu erkennen sei, dass sie unter dem Denkmantel der Gleichheit agieren. Klingt richtig gemeingefährlich, dieses Regime.
Was ist aus dem guten, alten "Liberté, Égalité, Fraternité"-Gebet jedes 'aufgeklärten Bürgers' geworden?

Was soll man daraus denn nun machen? Die Schultern wie Stern oder Spiegel zucken und sagen: Ach, die schon wieder? Da ist man plötzlich wieder gefangen in diesem Zwiespalt zwischen Ignorieren und Protestieren. Damit beschäftigt sich beispielsweise der Journalist Stefan Niggemeier in seinen Überlegungen wie mit Matussek denn nun umzugehen sei. 

Er spricht sich hier für ein Ignorieren aus, aber wie man an den Kommentaren auch verfolgen kann, bleibt da eine Skepsis. 
Ist man nicht schon längst an dem Punkt angelangt, an dem man sich zwangsweise fragen muss: Gibt es vielleicht nicht wirklich so eine stumme Mehrheit? Wer finanziert diese Bücher und Artikel? Wer ist das Publikum dieser selbsternannten Fürsprecher? Seit wann sind Rassisten nicht nur kleine picklige Dorfjungs, die gern mal jemanden zusammenschlagen, sich Hakenkreuze auf die Stirn tätowieren und mit Hitlergruß jeden morgen in den Supermarkt marschieren? Etwa schon immer? Gibt es etwa ein rechtes Problem in Deutschland? Selbst nach 1945? Aber es wird doch die Flagge zum Holocaust-Gedenktag schon auf Halbmast gesetzt, reicht das etwa nicht?

Ach quatsch. 

Montag, 25. April 2011

Heute, Gestern, Morgen.

Mit den Sonnenstrahlen kommt die Freude.

Freitag, 26. November 2010

Ein Zuschauer

Ich starre auf ihren Mund.

Sie ist der Quell eines Bächleins, sie ist das Bächlein selber. Es plätschert und ich höre zu. Munter kullern die Wörter heraus, den Berg herunter. Mal rauscht es, mal ist es ganz sachte, aber stetig. Ihre Worte sind Musik, schön wie junge Rehkitze sind sie, sprunghaft sind sie. Ihre Worte, wie sie an kleinen Felsen zerschlagen, sich kräuseln, übereinanderpurzeln, wieder ineinander verschmelzen. Ihre Worte sind stetig, im Fluss. Ihre Worte sind immer da, niemals versiegend.

Sie ist ein Bächlein und du bist eine Pfütze. Sie nimmt dich mit, treibt dich auseinander, voran. Du kullerst durch die Welt und lachst. Plitsch macht sie und platsch machst du. Plitsch-Platsch, Plitsch, Platsch. Und andere kommen dazu. Plitschi-di-Platschi-di singt ihr zusammen. Plitschi-di-Platsch.

Und plötzlich ist da mehr. Worte schäumen jetzt, Wellen schlagen gegeneinander, Worte reißen dich hinunter und wieder herauf. Du lachst und es gurgelt. Du klatschst gegen Zweige, Äste, Stämme, gegen Brückenpfähler, Boote, Angelschnuren. Du wirbelst Staub auf, ziehst Dreck mit. Schneller, rufe ich, schneller. Weiter, will ich, immer weiter. Ich bin die Hexe auf ihrem verfluchten Besen, kreische ich. Ich bin der Pegasus in seinem göttlichen Himmel, hauche ich. Ich.... höre Sie kaum noch, aber da ist so viel mehr um mich herum, so überaus viel mehr. Ich bin Herkules, ich bin Prometheus, ich bin die Sonne und der Mond, ich bin der Anfang und das Ende, ich bin der Morgen und der Abend, ich bin Gott! Und dann.

Dann kommt die Weite. Ein großes einstimmiges Seufzen. Wir ergießen uns in dieses Seufzen, werden zum Seufzen. Tosen im Seufzen, atmen im Seufzen, gehen unter im Seufzen. Ich bin nichts, stelle ich fest. Nur Teil einer riesengroßen Pfütze.

Ich höre Sie nicht mehr.


Er ist ein Baum.

Vermute ich zumindest. Ich sehe ihn immer am gleichen Platz stehend, seine Krone in Licht getaucht. Glaube ich zumindest. Sicher sein kann ich nicht, niemals. Wenn er ein Baum ist, dann bin ich ein Staubkorn, immer in Bewegung, immer am Rollen. Dahin wo der Wind mich hintreibt. Er steht und ich werde vorbeigeweht. Ich kann nicht anhalten, niemals still stehen, niemals hier sein.

Er steht fest wie ein Baum. Und ich muss vor, und wieder zurück. Er macht aus mir einen Derwisch, einen Kreisel. Ich drehe mich immer um meine eigene Achse. Immer um ihn herum. Er ist das Auge im Sturm, die Stille im Getöse. Ich tanze, singe und er ist der Dirigent meines Orchesters. Immer mit dem Rücken zu mir. Glaube ich, sicher sein kann ich nicht, niemals. Zu schnell sind meine Drehungen, zu hoch meine Sprünge, zu tief der Fall.

Er gibt den Takt an. Hält mich in Atem, am Atmen. Seine Hände wippen und ich werde weiter geweht. Weg von ihm, zurück zu ihm. Eine Verbeugung, ein Aufbäumen. Ich möchte jubilieren und auf dem Boden kriechen. Durch ihn, mit ihm. Ich weine. Im Takt. Ich säusele, ich frohlocke. Im Takt. Farben ändern sich, Orte ändern sich, Gesichter ändern sich. Aber er ist wie ein Baum. Immer gleich. Vermute ich zumindest. Kaum mehr als ein Umriss im Sonnenspot. Er ist Sicherheit. Hoffe ich zumindest.


Ich starre auf ihren Mund.

Sie ist ein Vöglein. Munter zwitschernd am Morgen, so voller Kraft und von Leben strotzend, dass du aufstehen, dass du wach werden musst. Sie singt den ganzen Tag. Von fremden Ländern und schönen Dingen. Sie singt und du möchtest mitsingen. Auch so ein Wort sein, das ihre Lippen verlässt. Gesummt werden, mitfliegen.

So hoch hinaus, dass dir schwindelig wird, wenn du nach unten siehst. So hoch, dass das Feld hinter deinem Haus ein kleiner brauner Fleck, dass dein Haus ein kleiner roter Punkt wird. So hoch, dass es keine Ampeln mehr gibt, nur noch die Berge am Horizont. So hoch, dass du die Sonne selbst im Winter spüren kannst. Und dann wieder hinabsteigen. So tief hinab, dass die grüne Fläche unter dir ein Wald wird. So tief, dass du die Baumkronen genau unterscheiden kannst, bis du deinen Baum wieder erkennst. So tief, dass dein Baumwipfel dir im Sommer Schatten spendet.

Ich möchte auch singen, aus Luft bunte Bilder malen. Ich atme tief ein. Ich spüre wie meine Worte sich bilden, sich meine Lunge füllt und sich mein Leben aufteilt in Jahre, Tage, Momente. Ich atme aus. Ich spüre wie sich Gefühle in Buchstaben pressen, wie alles Sinn ergibt. Ich atme noch einmal ein, öffne meinen Mund:

"Quak."

Sie ist ein Vöglein. Ich bin es nicht.
Ich bin auf den Boden gefesselt und obwohl ich doch springen kann, kann ich nicht fliegen. Und obwohl ich doch Laute erzeugen kann, kann ich nicht singen. Ich bin der perfekte Zuschauer. Den Blick nach oben gerichtet, kaum erkennbar in meinem Tümpel.

Ich applaudiere mit den Anderen. Meeresrauschen.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Photobucket Pictures, Images and Photos

Stuttgart21 in aller Munde. Hier einmal Pro!Tiefbahnhof. Die Ulmer haben einen kleinen Pavillon aufgebaut, der Informieren soll. Was man auf dem Bild nicht sieht ist das trostlose Innere, wo vereinzelt Plakate rumhaengen, die alle den Fortschritt aller Bahnausbauprojekte aufzeigen. Was habe ich gelernt? Erfurt word zu einem neuen ICE Knotenpunkt ausgebaut. Deshalb musste da der alte Bahnhof weg. Eine Entwicklung, die ich da durchaus begruesse. Denn wie jeder weiss, der vom Osten in den Sueden Deutschlanda fahren muss, ist dort die Anbindung eine Katastrophe. Was das allerdings mit Stuttgart zu tun hat sei dahingestellt. Man kann sich denken was Erfurt suggerieren soll: Stoppt nicht den Fortschritt. Aber damit haben die Proteste ja schon lange nichts mehr zu tun. Oder denkt etwa noch einer ueber den Bahnhof nach, wenn er von Stuttgart21 redet?